Das hier vorgestellte Konzept basiert auf der klinischen Praxis in der Arbeit mit traumatisierten Soldaten. Mein Modell ist ein heuristisches Rahmenmodell um den Fokus auf Faktoren zu richten, die im neuro-psychologischen Stressmodell der Entstehung und Aufrechterhaltung der PTBS aus meiner Sicht zu kurz kommen. So sind die Bilder aus dem Erlebnis bei den meisten Betroffenen oft nicht das größte Problem, sondern innere Konflikte, die aus dem Zusammenwirken verschiedener Faktoren resultieren.
Ein Hauptproblem ist nach meiner Erfahrung, dass real erlebte oder potentielle Todesangst eine existenzielle Grenzerfahrung darstellt die niemals mehr rückgängig zu machen ist. Diese Tatsache steht jedoch in eklatantem Widerspruch zum idealen soldatischen Selbst und dem Wunsch im Einsatz weiter funktionieren wollen und zu müssen. Die Erfahrung der eigenen Belastungsgrenze in Form einer Grenzerfahrung muss daher von den Betroffenen verleugnet oder verdrängt werden, um weiter funktionieren zu können. Das kostet zunehmend mehr Energie und führt schließlich zu einer Dekompensation, manchmal erst Jahre später. Die Soldaten nehmen das Innen als starke Selbstunsicherheit wahr, die kaum reflektiert wird und zudem auch als Verlust jeglicher Zugehörigkeit. Mit anderen Worten: die Soldaten verlieren „ihren Ort“, den Bezug oder besser die Bindung zu sich und ihrer Umwelt. Die finden sie oft nur bei den Kameraden aus dem Einsatz. Dort fühlen sie sich verstanden und vor allem — zugehörig.
Ein weiterer Faktor ist das, was in der Literatur als “moralische Verletzung” (engl. moral injury) bezeichnet wird. Damit ist gemeint, das wenn Menschen selbst etwas tun müssen oder andere dabei beobachten, wie diese etwas tun, was den eigenen moralischen Grundsätzen widerspricht, ein moralischer Konflikt entstehen kann.
Auf Anfrage biete ich auch Fortbildungen zu diesem Thema an.
Literatur: Ulrich Kerzbeck (2021): Traumatherapie mit Einsatzkräften – Anmerkungen eines Praktikers in: Verhaltenstherapie und Psychosoziale Praxis, 53. Jg. (1) 2021, S. 127–140